Heinz Dürr im Alter von 90 Jahren verstorben

Heinz Dürr ist am Montagabend überraschend in Berlin verstorben. Der Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats und Ankeraktionär der Dürr AG wurde 90 Jahre alt. Heinz Dürr war eine der profiliertesten Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik.
Unter der Führung von Heinz Dürr entwickelte sich das von seinem Großvater im Jahr 1896 gegründete Familienunternehmen Dürr zu einem weltweit führenden Maschinen- und Anlagenbaukonzern. Bundesweit bekannt wurde Heinz Dürr seit den 1970er-Jahren als Verhandlungsführer der Metall-Arbeitgeber, Vorstandsvorsitzender der AEG, Chef der Deutschen Bahn und als Stiftungskommissar der Carl Zeiss Stiftung. Der Aktienbesitz von 29,7 % an der Dürr AG bleibt auch nach dem Ableben von Heinz Dürr in der Hand der Familie Dürr. 1933 in Stuttgart geboren, absolvierte Heinz Dürr nach dem Abitur zunächst eine Schlosserlehre in Uerdingen und studierte danach in seiner Heimatstadt Maschinenbau. 1957 trat er mit 24 Jahren in das Familienunternehmen ein, um in der Konstruktionsabteilung den erkrankten Oberingenieur zu vertreten. Geschäftsführer war damals sein Vater Otto Dürr, seine Mutter Betty wachte als „kaufmännisches Gewissen“ über die Finanzen. Heinz Dürrs Anfänge im Familienbetrieb fielen in eine Phase starker Veränderungen: Aus dem Blechbearbeitungsspezialisten Dürr wurde in der Nachkriegszeit ein Industrieunternehmen mit den Schwerpunkten Apparatebau und Oberflächenbehandlung. Damit wurde der Grundstein für die heutige Weltmarktführerschaft in der Lackiertechnik gelegt. Im Alter von 27 trat „HD“, wie Heinz Dürr im Unternehmen genannt wurde, in die Geschäftsführung ein. Das Geschäft mit der Autoindustrie wurde ausgebaut. Mit viel Wagemut trieb Heinz Dürr die Internationalisierung voran. 1964 gründete er in Brasilien die erste Auslandstochter – für einen schwäbischen Mittelständler damals ein außergewöhnlicher Schritt. Unter der Regie des Juniorchefs baute Dürr in São Paulo erstmals eine komplette Autolackiererei für Volkswagen. Weitere Firmengründungen im Ausland folgten. Der Unternehmenskultur drückte Heinz Dürr mit seiner Frau Heide einen modernen Stempel auf. Dürr war in den 1960er-Jahren einer der ersten Industriebetriebe mit Mitarbeiterzeitung, Bibliothek, Kunst in den Gebäuden sowie Theater- und Konzertaufführungen in der Fabrik.
In den frühen 1970er-Jahren machte sich der stets neugierige Unternehmer in Wirtschaftskreisen einen Namen. Auf Vorschlag Hanns Martin Schleyers wurde Heinz Dürr 1975 Vorsitzender des Arbeitergeberverbands der Metallindustrie Nordbaden/Nordwürttemberg. Mit dem baden-württembergischen IG-Metallchef Franz Steinkühler handelte er innovative Tarifergebnisse aus. „Dass ich mit Franz Steinkühler gemeinsam für eine Modernisierung der Arbeitswelt kämpfte, irritierte manchen im Arbeitgeberlager“, sagte Heinz Dürr später mit einem Schmunzeln. 1980 gab Heinz Dürr die Führung seines Unternehmens ab und wurde Chef beim angeschlagenen Elektrokonzern AEG. Neben der unternehmerischen Herausforderung reizte ihn das technologische Potenzial der AEG. Den überraschenden Wechsel hatte der damalige Bosch-Chef Hans Lutz Merkle eingefädelt. Heinz Dürr führte die AEG durch einen Vergleich und 1985 unter das Dach der Daimler-Benz AG, in deren Vorstand er 1986 eintrat. Sein eigenes Unternehmen, die Dürr AG, brachte Heinz Dürr 1990 an die Börse. Mit dem Erlös wurde der Applikationstechnikspezialist Behr erworben, aus dem die erfolgreiche Lackierrobotersparte von Dürr hervorging. 1991 übernahm Heinz Dürr auf Bitte von Bundeskanzler Helmut Kohl den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bundesbahn. 1997 wechselte der damals 64-Jährige in den Aufsichtsrat der Bahn, den er bis 1999 leitete. Von 1999 bis 2003 war Heinz Dürr Stiftungskommissar der Carl Zeiss Stiftung. Von 1990 bis 2013 war Heinz Dürr Aufsichtsratsvorsitzender der Dürr AG. Seit 2006 vertritt Prof. Dr. Dr. Alexandra Dürr, eine der drei Töchter von Heinz und Heide Dürr, die Familie mit deren Aktienanteil von 29,7 % im Aufsichtsrat. Heinz Dürr war dem Unternehmen als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats bis zuletzt eng verbunden. Häufig besuchte der in Berlin lebende Unternehmer Standorte im In- und Ausland. Mit Leidenschaft und einem großen Fundus an Erinnerungen und Anekdoten engagierte sich Heinz Dürr für das im Jahr 2022 gefeierte 125-jährige Jubiläum „seines“ Unternehmens. In den vergangenen Jahren beschäftigte sich Heinz Dürr intensiv mit den Themen Energieeffizienz, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Heinz Dürr arbeitete bis ins hohe Alter in seinem Büro am Berliner Gendarmenmarkt und war in der Bundeshauptstadt ebenso vernetzt wie in seiner schwäbischen Heimat.