Teilereinigungsbranche Stimmungsbarometer 2024 - Interview Gerhard Koblenzer, CEO LPW Reinigungssysteme

Die Stimmung in der Teilereinungsbranche ist verhalten. Gerhard Koblenzer, CEO der LPW Reinigungssysteme, erklärt im Interview mit Oberfläche-Online Chefredakteur Oliver Missbach, warum Jammern nichts bringt und wie Wege aus der Krise aussehen könnten.

Das Jahr 2024 hat fast Halbzeit – und die Stimmung in der Branche ist weitestgehend schlecht. Zur Krisen-Müdigkeit der vergangenen Jahre kommt mangelnde Perspektive und Planbarkeit. Der weltweit industrielle Strukturwandel nimmt die produzierenden Unternehmen und deren Investitionsgüterlieferanten hart in die Mangel, die Investitions-Zurückhaltung in den Kernregionen Europa, Nordamerika und Asien sorgt für noch mehr Unsicherheit. Oberfläche Online sprach mit Gerhard Koblenzer, CEO der LPW Reinigungssysteme GmbH, über die aktuelle Situation und wie Wege aus der Lähmung und schlechten Stimmung aussehen könnten.

Frage: „Herr Koblenzer, wir durchleben gerade herausfordernde Zeiten. Das aktuelle konjunkturelle Umfeld ist für die gesamte Industrie schwierig. Wie stark ist die industrielle Teilereinigungsbranche davon betroffen?"

Gerhard Koblenzer: „Die Anlagen- und Maschinenbau-Branche ist immens betroffen und leidet sehr. Zum einen muss massiv in neue Produkte und Dienstleistungen investiert werden. Auf der anderen Seite bricht das „Brot- und Buttergeschäft“ nahezu komplett weg. Eine toxische Kombination, die sich in der Automobilindustrie besonders deutlich zeigt. Die ersten Zeichen des Strukturwandels waren bereits vor zehn Jahren erkennbar. Sie wurden jedoch häufig ignoriert oder man hatte schlicht keine Zeit sich damit zu beschäftigen. Seit 2019 zahlt man die Rechnung dafür. So werden heute im klassischen Powertrain-Segment kaum noch neue Produktlinien entwickelt. Im LKW-Bereich sind zwar Neuinvestitionen im Umfeld der Militär- und Baumaschinenindustrie erkennbar, doch die gleichen die Schwäche beim Pkw nicht aus. Bei E-Mobilität und Brennstoffzelle wird zwar weiterhin investiert, aktuell jedoch zurückhaltend. Aufgrund dessen fehlt vor allem den mittelständischen Zulieferern die Orientierung, auf deren Grundlage investiert werden könnte. Das hat natürlich auch massive Auswirkungen auf die Industrielle Teilereinigung. Während auf der einen Seite die Tätigkeit bei kundenspezifischen Großprojekten auf sehr hohem Niveau fortschreitet, fehlt es an kleineren und mittleren Projekten nahezu komplett.“

Frage: „Gibt es schon Anzeichen einer Erholung und welche Erwartungen haben Sie an das zweite Halbjahr? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sah etwa in der kürzlich zu Ende gegangenen Hannover Messe das „Zugpferd des beginnenden Aufschwungs“ in Deutschland und Europa.“

Gerhard Koblenzer: „Nun, ein genereller Aufschwung ist aus meiner Sicht nicht wirklich erkennbar. Es ist aber auch nicht alles so schlecht, wie es dargestellt wird. Fehlende Planungssicherheiten durch fehlende Vorgaben der Großindustrie sowie der Politik machen die alltägliche Arbeit nicht unbedingt leichter. Doch das ist nicht allein ein deutsches oder europäisches Thema. Davon abgesehen gibt es auch Wachstums-Branchen. Zu diesen gehören etwa die Hochvakuum und Sensortechnik oder die optische Industrie. Hinzu kommen neue Aufgaben für die additive Fertigung, Innovationen in den Mobilitätskonzepten oder bei der Energieerzeugung. Das birgt viele Chancen, auch für Neuausrichtung. Gerade in der zerspanenden Industrie steigen die Sauberkeitsanforderungen, während die zu produzierenden Mengen eher in Richtung Kleinserien und kundenspezifische Einzelbauteile gehen. Das fordert Fokus auf die Gesamtprozesse bei der Planung, Umsetzung und Optimierung. Eigentlich eine Kernkompetenz im deutschsprachigen Raum.“

Frage: „In einer globalisierten Welt hängt die wirtschaftliche Lage nicht nur von örtlichen Faktoren ab. Die deutsche Reinigungsbranche setzt auch stark auf ausländische Märkte wie Nordamerika. Am 5. November 2024 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet, dass eine mögliche zweite Trump-Amtszeit durch geplante neue Zölle auf Importe der deutschen Wirtschaft bis zu 150 Milliarden Euro kosten könnte. Wie bereitet man sich in der Reinigungsbranche darauf vor und was erwartet uns hier?“

Gerhard Koblenzer: „Aktuell wartet die nordamerikanische Wirtschaft auf die Wahl im November. Daher ist die Investitionsbereitschaft derzeit eher zurückhaltend. Unabhängig vom Ausgang der Wahlen ist davon auszugehen, dass das protektionistische Verhalten der Vereinigten Staaten weiter besteht. Im Falle eines Präsidenten Trump wird es nur unberechenbarer. Die Erfahrungen mit seiner letzten Präsidentschaft haben jedoch gezeigt, dass jene deutsche Investitionsgüterlieferanten, die keine oder keine adäquaten Wettbewerber in den Staaten haben, weiterhin ihre Aufträge erhalten – nur eben mit deutlich höheren Kosten für die US- Kunden. Ein weiterer Grund, sich auf jene Kompetenzen zu fokussieren, die unsere Industrie traditionell kennzeichnen.“

Frage: "Was sind aus Ihrer Sicht die traditionellen Kern-Kompetenzen unserer Industrie? Und an welcher Stelle geht es vielleicht auch wieder „back to the roots“?“

Gerhard Koblenzer: „Grundsätzlich ist, wie in den späten 90-ern, wieder mehr Flexibilität und analytisches Vorgehen gefragt. Das können wir! Back to the roots heißt, dass wir nun den Fokus auf die Grundlagen der Industriellen Reinigungstechnik und Technischen Sauberkeit in Produktionsprozessen legen, angepasst auf die heute deutlich anspruchsvolleren Reinheitsanforderungen. Dies ist im Laufe der Jahre durch den Automotive-Schwerpunkt in den Hintergrund geraten. Neben der Erfahrung und dem professionellen Projekt-Management ist zudem eine lösungsorientierte Kommunikation nötig. Vor allem zwischen Management, Engineering, Fertigung und Produktion. Diese erfordert einerseits die entsprechenden fachlichen Qualifikationen auf allen Ebenen und andererseits eine Führungsmentalität, die konstruktive Kritik erlaubt und fördert. Auch das stellt eine klare Stärke im deutschsprachigen Raum dar.“

Frage: „Jede Krise bietet auch Chancen. Können Unternehmen, die in der industriellen Reinigungstechnik tätig sind, die momentane Lage nutzen, um daraus gestärkt hervorzugehen?“

Gerhard Koblenzer: „Definitiv ja. Es hat für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau noch nie Sinn gemacht, als 1:1-Wettbewerb mit lokalen Firmen in Nordamerika und Asien zu konkurrieren. Doch es sind Mehrwert-Produkt oder Mehrwert-Dienstleistungen in Bezug auf Qualität und Performance gefragt. Diese können dann auch entsprechend hochpreisig positioniert sein und diese werden auch weiterhin ihre Abnehmer finden. Gerade der Teilereinigungsbranche kommt hierbei zugute, dass nahezu alle industriellen Neuentwicklungen in Kombination mit höheren Sauberkeitsanforderungen an das Produkt aber auch an den gesamten Herstellungsprozess verbunden sind. Das können wir in Zentraleuropa besser als andere!“

Frage: „Oft werden politische Entscheidungen für wirtschaftliche Entwicklungen verantwortlich gemacht. Wie weit wirkt sich das tatsächlich aus und was kann etwa die Bundesregierung derzeit tun, um die Industrie und besonders auch die KMU zu stärken?“

Gerhard Koblenzer: „Politische Entscheidungen beeinflussen zum Teil, wie und mit welcher Geschwindigkeit sich die Wirtschaft auf Veränderungen einstellt. Sie kann auch Anreize setzen, um Prozesse zu beschleunigen. Das betrifft zum Beispiel die Infrastruktur, die Maßnahmen-Umsetzung zur CO2-Neutralität oder auch den Aufbau einer Verteidigungsfähigkeit zur Reduzierung der politischen Erpressbarkeit. Doch auf die globalen Veränderungsprozesse hat die Politik wenig Einfluss. Allerdings kann sie durch gezielte temporäre Förderungen und den Aufbau von stabilen Rahmenbedingungen die Investitionsbereitschaft steigern. Daran fehlt es aktuell. KMU brauchen vor allem einen verlässlichen Planungshorizont für die kommenden sieben bis zehn Jahre.“

Frage: „Der konstruktive Umgang mit Krisen ist oft auch eine Frage des persönlichen Mindsets. Welchen Shift im Kopf braucht’s, um optimistisch in die Zukunft blicken zu können?“

Gerhard Koblenzer: „Es macht keinen Sinn, allein an den alten Geschäften und Errungenschaften festzuhalten. Und es macht noch weniger Sinn, über die unvermeidlichen Veränderungen zu jammern. Die neuen Megatrends in der Gesellschaft, der Industrie und in den internationalen Gewichtsverteilungen waren bereits vor vielen Jahren erkennbar. Hinzu kommen die direkten und indirekten Kosten der Klimakrise. Von Volkswirtschafts- sowie Unternehmensseite müssen aktuell nicht unerhebliche Mittel zu Beseitigung der Schäden von etwa Hochwasser-, Hagel- oder Hitzeschäden aufgewendet werden. In Ermangelung anderer Möglichkeiten und aus fehlender Selbstreflexion heraus neigt man leichtfertig dazu, der Politik den schwarzen Peter zuzuschieben. Kann man machen, bringt aber nichts. Und entbindet die Unternehmen auch nicht von ihrer eigenen Verantwortung. Es geht also beim Shift zunächst um Akzeptanz, Toleranz und Offenheit.“

Frage: „Und wie kommt man dann vom Kopf ins Handeln?“

Gerhard Koblenzer: „Diese Neusortierung der Technologien und Rahmenbedingungen bietet eine Vielzahl von Chancen für neue Produkte und Dienstleistungen. Übrigens nicht nur in Deutschland. Man muss es mangels echter Alternativen aktiv angehen und sich als Unternehmen jeweils individuelle und autonome Zwischenziele für die kommenden ein bis vier Jahre setzen. Das ist die Messlatte für jede Einzelentscheidung und so kommt der Prozess in Gang. Dann heißt es dranbleiben und vor allen Dingen die Menschen für die Veränderung begeistern und mitnehmen. Das stellt aufgrund der mangelnden Konstanten sowie Stabilität die größte Herausforderung dar. Die technologischen Fähigkeiten haben wir!“

Oberfläche-Online: „Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koblenzer!“ (OM-5/24)

Zur Person

Gerhard Koblenzer ist Inhaber der LPW Reinigungssysteme GmbH, einem führenden Anbietern hochwertiger Anlagen und Verfahrenstechnologien in der industriellen Bauteilereinigung mit wässrigen Medien.

Kontakt

LPW Reinigungssysteme GmbH
Industriestraße 19
72585 Riederich (Deutschland)
Postfach 11 64, 72585 Riederich
Telefon: +49 (0)71 23 - 38 04-0
E-Mail: info@lpw-reinigungssysteme.de
www.lpw-reinigungssysteme.de

Über LPW Reinigungssysteme GmbH

Die LPW Reinigungssysteme GmbH zählt zu den führenden Anbietern hochwertiger Anlagen und Verfahrenstechnologien in der industriellen Bauteilereinigung mit wässrigen Medien. Die Systeme werden unter anderem in den Bereichen Maschinenbau, Automotive, Luft- und Raumfahrt sowie in der allgemeinen Industrie eingesetzt. Mit dem Unternehmensbereich High Purity ist LPW zudem in Branchen mit Fein- und Feinstreinigungsaufgaben wie der Medizintechnik, optischen und Halbleiter-Industrie ein gefragter Partner.

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