
Lack-Ausschuss durch überzogene Qualitätsanforderungen vermeiden
Bei lackierten Bauteilen führen überzogene Qualitätsanforderungen zu hohen Nacharbeits- und Ausschussquoten von oft mehr als 50 %. Abhilfe schaffen abgestimmte Prüfprozesse mit Einteilung von Oberflächenzonen.
Hohe Ausschussquoten erhöhen die Kosten und reduzieren den Unternehmensgewinn. Bei lackierten Bauteilen entstehen diese oft durch überzogene Prüfungen und fehlende Abstimmung. Ein Praxisbeispiel zeigt, wie klare Anforderungen und Grenzmuster Ausschuss reduzieren und die Wirtschaftlichkeit steigern können.

Wie abgestimmte Prüfprozesse den Lack-Ausschuss senken
Bei der Oberflächenprüfung von lackierten Bauteilen landen häufig Teile unnötigerweise in der Ausschusskiste – nicht etwa wegen technischer Mängel, sondern aufgrund unklarer oder nicht abgestimmter Prüfanforderungen. In der Lieferkette erscheint es oft erstmals einfacher, ein Bauteil zu verwerfen, als Merkmale systematisch zu definieren und gemeinsam zu bewerten. Diese Praxis wurde in einer kürzlich geführten LinkedIn-Diskussion von zahlreichen Fachleuten bestätigt.
Ein Beispiel aus der Automobilindustrie verdeutlicht das Problem: Ein 1st-Tier-Lieferant stellte fest, dass er deutlich mehr Spritzgussteile an den Lackierbetrieb lieferte, als er später als lackierte Fertigteile zurückerhielt. Eine erste Analyse zeigte: Sämtliche sichtbaren Flächen des Bauteils, das in Hochglanz Schwarz lackiert wird, wurden als A-Zonen und damit als Flächen mit sehr hohen Oberflächenanforderungen eingestuft. Im Prüfprozess wurden alle sichtbaren Oberflächenmerkmale unabhängig von ihrer Größe als Fehler bewertet – obwohl laut Spezifikation nur Merkmale ab einer Größe von 0,2 mm relevant sind. Die Prüfung erfolgte zudem nach intensiver Reinigung durch sogenanntes „Ausspiegeln“ unter einer hohen Beleuchtungsstärke von 5.000 Lux. Diese Kombination führte zu Nacharbeits- und Ausschussquoten von mehr als 50 %.
Die Situation konnte durch gezielte Maßnahmen verbessert werden: Eine differenzierte Einteilung der Bewertungszonen auf den Bauteilen, die Einführung und Freigabe von Grenzmustern sowie Schulungen entlang der gesamten Prozesskette – ergänzt durch kleinere technische Optimierungen – führten zu einer signifikanten Steigerung der First-Run-Quote von mehr als 70 %.

Warum viele einwandfrei lackierte Bauteile im Ausschuss landen
Vor allem im Bereich lackierter Oberflächen kommt es oft zu überzogenen Fehlerbewertungen. Die Ursachen sind vielfältig und liegen in organisatorischen Strukturen, psychologischen Mechanismen und technischen Rahmenbedingungen begründet.
Die Abstimmung von Oberflächenanforderungen erfolgt in der Regel über die Qualitätssicherungsstellen der beteiligten Unternehmen. Deren Hauptziel ist es, Reklamationen in der Serienfertigung zu vermeiden. Um diesem Ziel gerecht zu werden, werden hauptsächlich A-Zonen definiert und für diese „Null-Fehler“ vereinbart. Damit scheinen zunächst alle formalen Anforderungen erfüllt. Die für den Lackierbetrieb wichtige technische Relevanz kleinerer Merkmale – die erst ab 0,2 mm Größe als Fehler gelten – wird oft vernachlässigt. B- und C-Zonen werden in der Praxis unzureichend definiert. Technische Rückfragen oder eine realitätsnahe Bewertung von Oberflächenmerkmalen sind kaum möglich, da oft der direkte Austausch des Lackierbetriebs mit dem OEM fehlt. Die Verantwortung für die dadurch entstehenden Kosten liegt im Produktionsbereich und damit in unterschiedlichen Bereichen der Organisation.

Folgen fehlender Abstimmung im Prüfprozess
Die Folgen dieser fehlenden Abstimmung zeigen sich unmittelbar im Prüfprozess: Das Entdecken eines „Fehlers“ wird vom Prüfpersonal als Beleg sorgfältiger Arbeit gewertet. Gleichzeitig besteht die latente Angst, ein möglicherweise reklamierbares Teil durchzulassen. Diese Unsicherheit führt häufig dazu, dass sämtliche Merkmale – unabhängig von ihrer tatsächlichen Relevanz – ausgeschleust werden. Technische Möglichkeiten wie intensive Reinigung, hohe Lichtstärken und aufwendig gestaltete Prüfplätze unterstützen diese Praxis zusätzlich. Jeder noch so kleine Makel wird gefunden – und aussortiert. Die Nacharbeits- und Ausschussquoten steigen, ebenso wie die Herstellkosten ohne die tatsächliche Qualität der Teile substantiell zu verbessern.

Lösungen für einen wirtschaftlich erfolgreichen Lackierprozess
Der Lackierbetrieb muss die Anforderungen des OEM im Detail kennen. Diese sollten bereits in der Entwicklungs- bzw. Angebotsphase klar definiert und verbindlich vereinbart werden. In der Bemusterungs- und Anlaufphase kann der Lackierer seine Erfahrung nutzen, um konkrete Vorschläge zur Oberflächenzonierung einzubringen und Grenzmuster für alle Bereiche zu definieren. Diese Grenzmuster müssen anschließend allen Prüfstellen entlang der Lieferkette zur Verfügung gestellt und durch gezielte Schulungen begleitet werden.
Darüber hinaus sollten Prüfplätze konsequent nach den Vorgaben des OEM ausgelegt sein – etwa in Bezug auf Einbaulage, Zonendefinition, zulässige Fehlergrößen und Beleuchtungsstärken. Die Mitarbeiter an den Prüfstellen entscheiden letztlich, ob ein Teil – nach einem kompletten Produktionsprozess – in der Schrottkiste landet oder ausgeliefert wird. Auf diese Mitarbeiter und die Ausgestaltung ihrer Arbeitsplätze sollte deshalb ein besonderes Augenmerk gelegt werden.
Eine klar definierte, gemeinsam abgestimmte Qualitätsanforderung über die gesamte Lieferkette hinweg ist die Grundlage für wirtschaftlich erfolgreiche Lackierprozesse. Fehlt diese Basis, sollte sie schnellstmöglich geschaffen werden. (OM-6/25)
Autor
Willibald Holzapfel, Founder & CEO HoKa-Inergy GmbH
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