BREF STM Revision: Hintergründe und Neuheiten

Die geplante Revision des BREF STM durch die Europäische Kommission wird von Unternehmen und Verbänden wie dem VOA begleitet. Eine europäische Delegation besuchte kürzlich dazu Unternehmen der Oberflächentechnik- und veredelungsbranche.

Für nahezu alle Industriebereiche definiert die Europäische Kommission den aktuellen Stand der Technik in Form von BREF-Dokumenten (Best Available Techniques Reference oder Best Available Techniques Reference Document). Für die Oberflächenveredelungs-industrie enthält das BREF Surface Treatment of Metals and Plastics (BREF STM) die entscheidenden Regelungen. Bereits 2021 startete die geplante Aktualisierung unter engagierter Beteiligung des Verbands für die Oberflächenveredelung von Aluminium e. V. (VOA), die bis heute andauert. Kein Wunder, denn in der Regelung steckt unglaublich viel Arbeit, sowohl der nationalen Expertengruppe – in Deutschland unter Führung des Umweltbundesamtes (UBA) – als auch der europäischen Technical Working Group, die alle notwendigen Informationen und Daten für das European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau (EIPPC) zusammentragen. Von besonderer Bedeutung: Die Datenerhebung aus zahlreichen, unterschiedlich aufgestellten EU-Betrieben, aus denen sich künftig Emissionswerte ableiten, die in ganz Europa verbindlich umzusetzen sind; ergänzt durch Besuche in ausgewählten Unternehmen, zu denen natürlich auch VOA-Mitgliedsbetriebe gehören.

Besuch der europäischen Delegation des BREF STM

Die Delegation des BREF STM besichtigte im Jahr 2024 insgesamt sechs Firmen in Deutschland, die das UBA in Absprache mit dem EU-Büro für Forschung über industrielle Umwandlung und Emissionen (EU-BRITE) zuvor ausgewählt hatte. Das Ziel: Die Sammlung von Hintergrundinformationen und Erörterung von Fragen, die für die Überarbeitung von Bedeutung sind. Koordiniert durch die VOA-Geschäftsstelle hatten sich einige Mitgliedsunternehmen bereit erklärt, die Delegation zu empfangen sowie Rede und Antwort zu stehen. So fand der geplante Besuch bei der ALBEA Oberflächenbearbeitung GmbH, einem Mitgliedsunternehmen des VOA, statt.

Besondere Aufmerksamkeit richtete die Delegation auf die Emissionswerte in Luft und Wasser sowie auf deren Monitoring und die externe Entsorgung von Rückständen in Form von konzentrierten Schlämmen. Außerdem interessierte sie sich für die spezifischen Verbräuche von Erdgas und Elektrizität, die das Unternehmen hauptsächlich für die Prozesse und Kühlung bzw. Heizung benötigt und zum Teil überwacht. Bei dem Besuch zeigte sich, dass der zu erwartende Energieverbrauch für einen bestimmten Teil des Prozesses aufgrund der langjährigen Erfahrung zwar vorhergesehen werden kann, Schätzungen aufgrund des breiten und variierenden Auftragsspektrums unterschiedlicher Werkstücke jedoch nur präzise sind, wenn sie sich auf bestimmte Wannen konzentrieren. Die geschätzte Gesamtmenge der behandelten Oberfläche variiert um immerhin 20 Prozent. Auch liegen im Endeffekt keine genauen Zahlen zur behandelten Fläche vor, um eine konkrete Berechnung vornehmen zu können. Diese mangelnde Präzision erschwert die Ermittlung valider Zahlen in der Praxis und somit auch die Einhaltung bestimmter Verbrauchsgrenzwerte. Hier treffen also Realität und die eher theoretische Erarbeitung von Regelungen, die dann tatsächlich einzuhalten wären, zusammen.

Neuauflage des BREF STM unter Berücksichtigung realistischer Zahlen

Deshalb ist es besonders wichtig und ein absolutes Anliegen des VOA als Wirtschaftsverband für die Branche, den Vertretern der Delegation durch die Betriebsbesichtigung einen tiefen Einblick in die Praxis der Unternehmen zu verschaffen. Dadurch werden wertvolle Informationen zu den technischen Gegebenheiten vor Ort gewonnen, um bei der Aktualisierung des BREF STM realistische, umsetzbare Anforderungen in ganz Europa zu formulieren. Der VOA blickt im Sinne der Oberflächenveredelungsbranche auf die Neuauflage des BREF STM, das den Behörden die Grundlage liefert, Prüfungen in den Unternehmen durchzuführen. Von daher kommt der Neuauflage eine besondere Bedeutung zu, denn sie wird künftig nach der Freigabe Maßstäbe setzen. Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, dass die Neureglung realistische Zahlen normiert. VOA-Geschäftsführerin Dr. Alexa A. Becker fasst zusammen: “Wir danken allen VOA-Mitgliedsunternehmen, die sich beteiligen und ihren Input für die Branche liefern. Nur so lassen sich sinnvolle Regelungen formulieren, die von der Wirtschaft in Europa eingehalten werden können. Schließlich geht es letztlich darum, am globalen Markt weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen.“ (OM-3/25)

Interview und Hintergrundinfos zur Neuauflage des BREF STM

Ralf Heitzelmann ist Geschäftsführer der Aalbea Oberflächenbearbeitung GmbH und stellvertretender Leiter der Technischen Kommission des VOA e. V.

1. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit Ihrem Unternehmen an der Datenerhebung zu beteiligen und schließlich der Delegation die Betriebsbesichtigung anzubieten?

Mit unserem Unternehmen engagieren wir uns seit vielen Jahren im VOA für die Belange unserer Branche in Deutschland. Uns ist klar, dass die Interessen der mittelständischen Oberflächenveredelungsbetriebe nur dann Gehör finden können, wenn wir als starker Verband auftreten und uns aktiv an den für uns relevanten Gesetzgebungsprozessen beteiligen. Dass sich diese Prozesse mittlerweile auf europäischer Ebene abspielen, macht es sicherlich nicht einfacher. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass der VOA sowohl auf nationaler Ebene in der Expertengruppe des Umweltbundesamts wie auch auf europäischer Ebene in der Arbeitsgruppe in Sevilla mit vom VOA entsandten Repräsentanten vertreten ist. Als die Anfrage des VOA kam, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns sowohl an der Datenerhebung beteiligen als auch für eine Betriebsbesichtigung zur Verfügung stehen.

2. Welche Themen kamen bei der Betriebsbesichtigung auf?

Wir konnten bei dem Besuch der Delegation deutlich machen, dass das Bauteilespektrum, die Kundenanforderungen und daher auch die Prozessfolgen, die wir auf unseren Anodisationslinien erfolgreich realisieren, alles andere als einheitlich sind, sondern sich vielmehr erheblich voneinander unterscheiden. Von Kleinteilen in der Größe eines Eherings bis hin zu großflächigen Teilen bis zu sechs Metern Länge ist alles dabei. Es ist offensichtlich, dass es demnach für die erforderlichen Prozesse hinsichtlich der verwendeten Chemie, der Anzahl und Art der Prozessstufen und damit auch beim Energie- und Wasserverbrauch große Unterschiede gibt. Das Interesse der Teilnehmer galt darüber hinaus der Abluft- und Abwasserbehandlung in unserem Betrieb, dem Wasser- und Energieverbrauch sowie dem Abfall- und Abwasseraufkommen. Eine zentrale Frage war auch, inwieweit und insbesondere wie exakt wir die Oberfläche der von uns behandelten Bauteile erfassen können. Als Lohnveredelungsbetrieb behandeln wir mehrere zehntausend verschiedene Bauteilgeometrien im Jahr. Anders als bei offenen Profilen und Blechen ist bei vielen technischen Bauteilen, also bei Konstruktionsteilen, Gussteilen aber auch bei Hohlkammerprofilen, die Bestimmung der effektiven Teileoberfläche kaum möglich. Der von uns jährlich in gleicher Weise praktizierte, aber stark vereinfachte Ermittlungsansatz erlaubt es uns zwar, beispielsweise die Entwicklung unserer Energieeffizienz im Vorjahresvergleich zu bewerten. Die Ungenauigkeit der so ermittelten Oberfläche ist aber viel zu groß, als dass man daraus ableiten könnte, ob etwa ein Verbrauchsgrenzwert für den Wasserverbrauch in Liter pro m² Oberfläche eingehalten wurde. Die dafür nötige Exaktheit würde einen immensen Aufwand an zusätzlicher Bürokratie für uns bedeuten. Dies trifft nach unserer Einschätzung und auch nach Einschätzung des VOA auf alle Lohnveredelungsbetriebe zu.

3. Wie wurden die Werte in Ihrem Unternehmen von der Delegation aufgenommen?

Nach der einführenden Besprechung der verschiedenen Themen in der Praxis hatten die Teilnehmer der Delegation die Gelegenheit, sich beim Rundgang durch unser Unternehmen aus erster Hand ein eigenes Bild zu machen. Die Fragen wurden sowohl von mir selbst wie auch von unserer Umwelt- und Energiemanagementbeauftragten Frau Sturm und von Seiten des VOA umfassend beantwortet. Das Feedback, das wir von den Teilnehmern erhalten haben, war durchwegs sehr positiv, vor allem, weil sie sich nicht nur mit der Theorie, sondern auch mit der Praxis beschäftigen konnten.

4. Was wünschen Sie sich für die Neuauflage des BREF STM?

Es handelt sich nicht wirklich um eine „Neuauflage“, sondern genau genommen um eine Erstauflage: Während das bisherige BREF STM-Dokument aus dem Jahr 2006 nur Empfehlungscharakter besitzt, wird das neue BREF STM rechtsverbindliche Vorgaben enthalten, deren Umsetzung die zuständigen Behörden verpflichtend fordern müssen und werden. Betroffen sind davon alle nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigten Anlagen und damit der allergrößte Teil unserer Branche. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Prozesse in den Betrieben sind die einzelnen Anlagen, deren Daten europaweit erhoben wurden, kaum miteinander vergleichbar. Einheitliche Verbrauchsgrenzwerte in absoluten Zahlen etwa als Liter Wasser pro m² Oberfläche sehen wir daher als kaum zielführend an: Während sie für die einen Betriebe eine unerreichbare Hürde darstellen würden, wären sie für die anderen Betriebe problemlos haltbar und böten damit keinerlei Anreiz zur Effizienzverbesserung. Wir wünschen uns, dass die Behörden den jeweiligen Gegebenheiten in den Betrieben Rechnung tragen und gemeinsam mit den Unternehmen individuelle Verbesserungspläne mit beispielsweise einheitlichen, prozentualen Verbesserungszielen erarbeiten. Wir sind dazu bereit.

Wie läuft die Aktualisierung ab und wer ist daran beteiligt?

Im Vorfeld einer BREF-Revision rufen die Branchenexperten des Umweltbundesamts (UBA) die (Erweiterte) Nationale Expertengruppen ((E)NEG) für jedes BREF ins Leben und der sogenannte „Sevilla Prozess“ beginnt. Die NEG, nationales Gremium für die Überarbeitung, setzt sich aus Behördenvertretern zusammen, die ENEG bindet zudem Experten aus der Industrie, der Wissenschaft und von Verbänden mit ein. In regelmäßigen Abständen trifft sich die Gruppe unter Leitung des UBA und tauscht sich über den aktuellen Stand, die anstehenden Arbeiten und mögliche Positionen zu den einzelnen Arbeitsschritten im Prozess aus. Sie begleitet die komplette BREF-Revision und unterstützt damit direkt das Umweltbundesamt, das die deutsche Position bei den Verhandlungen in Sevilla vertritt. Das dort angesiedelte European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau (EIPPC-Büro – kurz „Sevilla Büro“ genannt, da es in dieser Stadt sitzt) fungiert als neutrales, fachlich kompetentes Gremium und ist für die Planung und Durchführung der Neuerarbeitung und der Revisionsprozesse von BVT-Merkblättern (Beste verfügbare Technik) zuständig.

Bei den BVT-Merkblättern handelt es sich um sehr umfangreiche Dokumente mit großem Informationsgehalt. Anlagenbetreiber und Genehmigungsbehörden können sich an ihnen orientieren. Die darin enthaltenen Schlussfolgerungen bzw. Anforderungen sind verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten anzuwenden. Sie gelten für neue Anlagen unmittelbar nach der Veröffentlichung und für bestehende Anlagen spätestens nach vier Jahren. Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten neben Emissionsbandbreiten und den dazugehörigen Emissionsminderungstechniken verbindliche Anforderungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anlagen des jeweiligen Sektors. Im deutschen Sprachgebrauch sind die englischen Bezeichnungen für BVT-Merkblätter bzw. für die BVT-Schlussfolgerungen – ⁠BREF⁠ (Best Available Techniques Reference Document) und BAT Conclusion (Best Available Technique Conclusion) – durchaus üblich und werden synonym verwendet.

Sandra Leuthold aus dem Fachgebiet III 2.2 „Ressourcenschonung, Stoffkreisläufe, Mineral- und Metallindustrie“ beim UBA und zuständig für das STM BREF sagt über die Revision desselbigen: „Die Industrieverbände wie der VOA nehmen eine wichtige Position bei der Begleitung des ‚Sevilla-Prozesses‘ auf nationaler Ebene ein, denn sie bilden die Schnittstelle zu den Unternehmen, die durch das Ausfüllen des äußerst komplexen Fragebogens ihre Daten für die Ableitung der zukünftigen Emissionswerte zur Verfügung stellen. Zudem koordinieren die Verbände die Kommentare zu den einzelnen Papieren aus Sevilla und können durch ihre umfangreichen Informationen zu aktuell im Einsatz befindlichen und auch neuen Techniken wichtige Impulse für die Ergänzung der sogenannten BVT-Kandidaten geben. Ich bin sehr froh über die rege Beteiligung, denn nur so können wir gute Positionen erarbeiten.“

► Weitere Informationen auf www.umweltbundesamt.de

Kontakt

Verband für die Oberflächenveredelung von Aluminium e. V. (VOA)
Haus der Bayerischen Wirtschaft
Max-Joseph-Str. 5
80333 München (Deutschland)
Telefon: +49 89 / 5517 8670
Email: info@voa.de
www.voa.de

Über den VOA

Der Verband für die Oberflächenveredelung von Aluminium e. V. (VOA) bildet als Wirtschaftsverband das Branchennetzwerk der Unternehmen in der Oberflächenveredelung von Aluminium und anderen Werkstoffen und setzt sich für die wirtschaftlichen, politischen und technischen Interessen der Mitglieder auf nationaler und internationaler Ebene ein.

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