
Visuelle Abmusterungen mit GonioViewern für Interferenzpigmente
Zur visuellen Abmusterung neuer Interferenzpigmente gibt es experimentelle Instrumente wie die GonioViewer Experimental. Sie überbrücken Diskrepanzen, die mit herkömmlichen Mehrwinkel-Messinstrumenten auftreten können.
Bei Effektfarben und -pigmenten werden in der Regel portable Mehrwinkel-Messinstrumente eingesetzt. Bei einer fixierten Beleuchtung von 45° wird unter mehreren Differenzwinkeln vom Glanzwinkel gemessen. Ursprünglich wurden diese Geometrien für Lacke oder Kunststoffe ausgewählt, die mit Aluminiumpigmenten formuliert sind. Inzwischen gibt es eine Reihe neuer Interferenzpigmente, die mit den gleichen Geometrien gemessen werden. Obwohl sie sich optisch deutlich von Aluminiumpigmenten unterscheiden, wendet man zu ihrer Messung dieselben klassischen Geometrien an. Auch bei der visuellen Abmusterung treten Diskrepanzen zu den Geometrien der instrumentellen Abmusterung auf. Dieses liegt einerseits an nicht übereinstimmenden Geometrien zwischen der visuellen und instrumentellen Abmusterung. Andererseits fehlen bei den Instrumenten Geometrien, mit den auch moderne Interferenzpigmente analysiert werden können. Experimentelle Instrumente wie die GonioViewer Experimental [Abb. 1] überbrücken diese Diskrepanzen durch ihre Geometrien und unterstützen die visuelle Abmusterung von Effektpigmenten.

GonioViewer Experimental 01
Neue Interferenzpigmente zeigen einen Farbverlauf ähnlich wie bei einem Regenbogen. Dieser Verlauf beginnt bei 30° vom Glanzwinkel mit Blauviolett über Blau, Grün und Gelb zum Rot bei 75° vom Glanzwinkel [Abb. 2]. Die aktuellen Messinstrumente messen bei 25°, 45° und dann bei 75° vom Glanzwinkel, d.h. die Messwerte zeigen den Farbverlauf von Blaugrün und dann nach Rot. Die anderen Farben des Verlaufs werden nicht erfasst, obwohl sie visuell zu beobachten sind [Abb. 3].
Um die visuelle Abmusterung dieser Pigmente zu gewährleisten, wurde der GonioViewer Experimental 01 hergestellt. Er ist wie die anderen GonioViewer im 3D-Druck hergestellt, misst 23 cm in der Breite und 16 cm in der Höhe. Bohrungen auf dem 4 cm breiten Halbbogen ermöglichen Beleuchtungen und Beobachtungen. Unter dem GonioViewer lassen sich ein oder zwei Musterbleche positionieren, so dass auch eine vergleichende Betrachtung möglich ist. Mit dem GonioViewer Experimental 01 lässt sich visuell der Farbverlauf bei exakt definierten Geometrien erkennen. Vergleichende Messungen wurden mit dem Zeiss GK311/M gemacht. Dieses misst bei unterschiedlichen Beleuchtungs- und Beobachtungswinkeln, die sich in 5°-Schritten unabhängig voneinander einstellen lassen.

GonioViewer Experimental 02
Wird ein Musterblech am Fenster oder in einer Lichtkabine betrachtet, so werden Geometrien eingenommen, die keiner Geometrie der Messinstrumente entspricht. Dabei werden das Musterblech – einzeln oder mit einem Vergleichsmuster – hoch- und runtergekippt. Ausgangsposition ist dabei der Blick in den Glanz auf dem Musterblech, dessen Winkel sich aus dem Winkel der Beleuchtung ergibt. Senkrecht auf dem Abmusterungsblech steht die Normale zwischen beiden. Beträgt der Beleuchtungswinkel in der Startposition beispielsweise 15°, so wird bei -15° beobachtet. Der Differenzwinkel von 30° zwischen den beiden Positionen bleibt während der gesamten Beobachtung gleich, d.h. die Position der Beleuchtung und die Position des Beobachters ändern sich nicht.
Wird das Musterblech nach unten gekippt, wandert die Normale in Richtung der Beleuchtung und der Beleuchtungswinkel wird kleiner. Entsprechend wird auch der Glanzwinkel kleiner. Beträgt der Beleuchtungswinkel dann 5° und der Glanzwinkel entsprechend -5°, wird das Musterblech bei -25° beobachtet (5° Beleuchtung minus 30°-Differenzwinkel zwischen Beleuchtung und Beobachtung gleich -25°-Beobachtung gleich -20° vom Glanzwinkel (= aspecular)). Die Beobachtung liegt dabei auf der Seite des Glanzwinkels, die der Beleuchtung gegenüberliegt (trans-Position). Wird das Musterblech weiter nach unten gekippt, wandert die Beleuchtung zunächst in die Normale und dann auf die andere Seite der Normalen. Entsprechend wechselt auch der Glanzwinkel die Seite zur Normalen (cis-Position = Beleuchtung und Beobachtung liegen auf der gleichen Seite bezogen auf den Glanzwinkel).
Wird das Musterblech zum Beobachter hin gekippt, so wandert die Normale auch zu ihm hin. Damit werden der Beleuchtungs- und der entsprechende Glanzwinkel relativ zur Normalen größer. Wird beispielsweise das Musterblech ausgehend von der Startposition zum Beobachter um 5° gekippt, so ändert sich der Beleuchtungswinkel von 15° auf 20°, der Glanzwinkel von -15° auf -20°. Der Beobachtungswinkel in der Startposition ändert sich von - 15° auf -10° (Differenzwinkel 30° zwischen Beleuchtung und Beobachtung). Der Differenzwinkel zum Glanzwinkel beträgt dann 10°. Kippt man das Musterblech weiter auf 25° Beleuchtung, so vergrößert sich der Differenzwinkel zum Glanz auf 20°.
Aufgrund es optischen Gesetzes der Lichtumkehr, können Beleuchtung und Beobachtung getauscht werden. Vergleicht man dann die Geometrien beim Hoch- und Runterkippen, so sind diese Geometrien exakt gleich, d.h. beim Hoch- und Runterkippen werden die gleichen Geometrien eingenommen. Es ist deshalb egal, ob man das Musterblech nach oben oder unten kippt. Der GonioViewer Experimental 02 besitzt Bohrungen für die Beobachtung am Fenster von -25° bis 75° in 10° Schritten. Ausgehend von einem Differenzwinkel von 30° (15°/-15° Beleuchtung/Beobachtung) oder 50° (25°/-25°) kann der Farbverlauf winkelgenau beobachtet werden.
GonioViewer Experimental 03
Die Winkel der Bohrungen dieses Instruments entsprechen exakt den Winkel der aktuellen Mehrwinkel-Instrumente: Bei 45° wird beleuchtet und bei -15°, 15°, 25°, 45°, 75° und 110° wird beobachtet. ASTM (American Society for Testing and Materials) hat 2008 für die Messungen von Interferenzpigmenten zusätzliche Geometrien als Standards festgelegt. Zu den klassischen Winkeln, die willkürlich festgelegt wurden, kamen eine zweite Beleuchtung bei 15° sowie ein Messwinkel bei -15° vom Glanzwinkel hinzu. Diese Winkel wurden Anfang der 90er Jahre aufgrund vieler Versuche vom Autor veröffentlicht.
Zwei Vorteile weisen den GonioViewer Experimental 03 aus: Bei der Betrachtung und Begutachtung eines Musterbleches - beispielsweise in Postkarten-Größe - besteht zwischen dessen Ober- und Unterkante ein Winkel von etwa 15° [Abb. 3]. Dieser Winkel ist größer als der zwischen den beiden Glanz-nahen Messwinkeln. Unser Auge wird bei Farbverläufen getäuscht und kann Farbdifferenzen in einem Verlauf nicht erkennen. Unser visueller Eindruck beruht auf der großen Fläche eines Musterbleches im Gegensatz zu dem kleinen Messfeld. Der GonioViewer Experimental 03 löst dieses Problem mit seiner kleinen und winkelgenauen Beobachtungsfläche.

GonioViewer Experimental 04
Dieser GonioViewer bietet Geometrien, die bei einer visuellen Abmusterung einer Interferenz eingenommen werden. Hierbei wird das Musterblech mit ausgestrecktem Arm bei flacher Beleuchtung betrachtet. Dann wird das Blech parallel nach unten bewegt, wobei zu steiler Beleuchtung gewechselt wird. Betrachtet wird immer nahe am Glanz bei 15°. Dieser Ablauf entspricht dem Interferenzgesetz, welches die Abhängigkeit der Farbe vom Winkel des einfallenden Lichtes beschreibt [Abb. 4].
Die Bohrungen des GonioViewer Experimental 04 sind bei Winkel von -60° bis 65°, so dass eine Betrachtung beispielsweise bei 0° mit einer Beleuchtung von 15° erfolgt. Dann ändert sich die Beleuchtung in 10°-Schritten bis 65° von der Normalen. Die Betrachtungen erfolgen ebenfalls in 10°-Schritten von 0° bis -50°. Auch hier wird das Musterblech punkt- und winkelgenau betrachtet.

GonioViewer Experimental 05
Der GonioViewer Experimental 05 entspricht dem GonioViewer 03. Zusätzlich sind Bohrungen bei 15°, -45° und -75° angebracht. Diese Winkel entsprechen denen für die Sparkle-Bestimmung beim BYKmac. Mit ihnen wird ein Musterblech beleuchtet, um mit der Kamera in der Normalen SW-Fotos aufzunehmen. Diese dienen der Berechnung der Sparkle-Werte.
Genutzt werden kann dieser GonioViewer 05 auch, um die zweite Beleuchtung beim MA-98 und MA-T12 nachzustellen. Er besitzt die Bohrung bei 15° für die zweite Beleuchtung. Beobachtet werden können die Differenzwinkel bei 15°, 45°, 60°, 80° und bei -15°, -30°, -45°, -60°.

GonioViewer Experimental 06
Die Beleuchtungswinkel zur Bestimmung der Sparkle-Werte wurden von Byk willkürlich festgelegt. Man hat sich bei der Auswahl an den technischen und mechanischen Möglichkeiten im BYKmac-Instrument orientiert. Deswegen sind die Winkel auf beiden Seiten der Normalen platziert: 15°, -45° und -75° von der Normalen [Abb,. 5]. In vielen Fällen ergibt sich kein Unterschied, von welcher Seite beleuchtet wird. Es gibt aber aufgezogene Lacke oder Spritzgusse, bei denen die Richtung eine wesentliche Rolle spielt und Unterschiede auftreten.
Für den GonioViewer 06 haben wir deshalb die Beleuchtungswinkel auf beiden Seiten der Normalen platziert und außerdem zwei Winkel hinzugefügt. Mit jeweils 15°, 30°, 45°, 60° und 75° von der Normalen ergibt sich ein besseres Bild vom Sparkle des Musters. Es hat sich gezeigt, dass die Winkelkombination von 15°, 30° und 60° die bessere ist gegenüber der Kombination von 15°, 45° und 75°.
Mit dem GonioViewer 06 lassen sich auch die Interferenz- und Aspecularlinien nachstellen: Wird bei 15°, 45° und 60° (oder auch 75°) beleuchtet und 15° vom jeweiligen Ganzwinkel beobachtet, so sieht man den Interferenzverlauf. Der Winkel 75° ist einzigartig und ist bei keinem Messinstrument realisiert. Wird bei 45°beleuchtet, erkennt man den Farbverlauf, wenn man sich vom Glanzwinkel entfernt. Entsprechende Differenzwinkel sind -30°, -15°, 15°, 30°, 45°, 60°, 75°, 105° und 120° vom Glanzwinkel bei -45°.

Resümee
Die aktuellen Geometrien der portablen Messinstrumente basieren auf Zusammenstellungen, die über 30 Jahre alt sind. Bislang wurde die Eignung dieser Geometrien insbesondere für Interferenzpigmente nicht überprüft. Tagtäglich werden mit diesen Instrumenten Interferenzpigmente gemessen, ohne dass die Geometrien hinterfragt und die Messergebnisse auf ihre Plausibilität geprüft werden.
Fehlende Geometrien schränken die instrumentelle Abmusterung deutlich ein. Mit den Gonioviewer Experimental lassen sich die Lücken für die visuellen Abmusterungen schließen. Da verschiedene Anforderungen an die visuelle Beurteilung gestellt werden, können die Versionen des Gonioviewers entsprechend angepasst [Abb. 6]. (OM-2/25)
Autoren
Werner Rudolf Cramer, Fachjournalist und freier Berater, Münster
Wolf Moritz Cramer, Installationskünstler und Programmierer, Hamburg
Über Werner Rudolf Cramer
Werner Rudolf Cramer ist Fachjournalist und freier Berater in Münster. Der Autor beschäftigte sich schon während seines Chemiestudiums mit Farben und Farbmessung. und ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema.
Über Wolf Moritz Cramer
Wolf Moritz Cramer ist Installationskünstler und Programmierer. Er unterstützt namhafte Künsler bei der Realisierung ihrer Objekte und erstellt Objekte im 3D-Druck.