
Parts2clean, High Purity, Reinigungsprozesse: Interview mit Gerhard Koblenzer, CEO LPW Reinigungssysteme
High Purity ist das Leitthema der Parts2clean 2023 und ein großes Thema in der Reinigungsbranche. Dazu unterhält sich Oberfläche-Online Chefredakteur Oliver Missbach im Interview mit Gerhard Koblenzer, CEO der LPW Reinigungssysteme: „High Purity hat nichts mit einzelnen Branchen, sondern mit Prozessen und Mindset in allen Industriebereichen zu tun.“
Frage: „Herr Koblenzer, die LPW Reinigungssysteme GmbH ist wieder als Aussteller auf der Parts2clean 2023 vertreten. Wo liegt Ihr Fokus in diesem Jahr und was erwartet die Besucher auf Ihrem Messestand?"
Gerhard Koblenzer: „Der Fokus wurde durch die Messe-Organisatoren vorgegeben. Er lautet „High Purity“ – für die meisten Unternehmen in der Branche wohl ein neues sowie bedeutendes Thema. Für LPW nicht. Wir haben über 15 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet und zählen mit zu den Pionieren in diesem Segment. Dementsprechend präsentieren wir gemeinsam mit unseren Partnern der Surface Alliance eben diese Expertise auf allen wichtigen nationalen sowie internationalen Kern-Märkten und stehen für die Erarbeitung von Problemlösungsansätzen in nahezu allen Industriebereichen mit unserem Wissen auf der Messe zur Verfügung.“

Frage: „Das Leitmotto der diesjährigen Parts2clean ist „Cleaning redefined“ und das Highlight-Thema, wie Sie schon sagten, High Purity, also ein Bereich, den LPW schon länger abdeckt. Was macht es für potenzielle Auftraggeber besonders attraktiv, auf die High Purity-Lösungen von LPW zu setzen?“
Gerhard Koblenzer: „Wie bereits erwähnt, konnten wir uns in den vergangenen 15 Jahren einen großen sowie breiten Erfahrungsschatz in diesem Umfeld erarbeiten und zahlreiche maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden im In- und Ausland realisieren. „Cleaning redefined“ mag für viele Besucher, aber auch für die meisten Aussteller, ein Leitthema sein. Doch unseres Erachtens geht es für viele Anbieter und Kunden darum, sich in einem veränderten Industrieumfeld zurechtzufinden und neu zu positionieren. Die Parameter in nahezu allen Branchen, nicht nur in den klassischen Feinstreinigungsmärkten, sind nicht mehr dieselben. Sei es durch neue Mobilitätskonzepte oder Aufgabenstellungen mit höheren Anforderungen an die Technische Sauberkeit in zum Beispiel der Hochvakuum- und Medizintechnik oder in der Sensorenfertigung.“
Frage: „Wie würden Sie persönlich dann das Thema High Purity definieren?“
Gerhard Koblenzer: „LPW definiert High Purity nicht allein als Aufgabe an die Industrielle Reinigungstechnik und schon gar nicht als ein branchenspezifisches Thema. Es geht generell um deutlich strengere Reinheitsanforderungen. Basierend auf unserer Erfahrung und täglichen Arbeit ist daher vielmehr die Ausrichtung aller Prozesse auf die Vermeidung und Beseitigung unerwünschter Verunreinigungen bis zum Ort der Verwendung eines Bauteils oder einer Baugruppe gefragt. Das wiederum erfordert ein völlig verändertes Mindset sowie Vorgehen beim Anwender und in der Folge auch beim Lieferanten der erforderlichen Reinigungstechnik. So steht unter anderem im Fokus, Re- und Querkontaminationen, etwa durch Umgebungsbedingungen oder eingesetzte Medien, konsequent zu vermeiden. Heißt für den Anlagenbauer: auch über den Reinigungsprozess als solchen dürfen keine neuen Verschmutzungen über die mechanischen Bewegungen, die Medienprozesse oder die Chemie eingebracht werden. Bei uns stellen diese veränderten Herangehensweisen seit vielen Jahren gelebte Praxis in allen Unternehmensbereichen dar. Von der Projektanbahnung über die Umsetzung in Konstruktion und Fertigung bis hin zum Aftersales durch Service und Applikationsengineering.“

Frage: "In welchen Industriebereichen merken Sie besonders stark eine vermehrte Nachfrage nach High Purity-Reinigungslösungen?“
Gerhard Koblenzer: „Aktuell in der Hochvakuumtechnik und Halbleiterindustrie. Der Bedarf an Reinigungslösungen ist hier groß und wird voraussichtlich in den kommenden Jahren in Europa, Nordamerika und Asien weiter steigen. Wenngleich nicht alle, so fallen viele Anforderungen in diesem Bereich in die Sparte High Purity. Es sind also Aufgaben der Feinst- und Ultra-Feinstreinigung. Hinzu kommen unter anderem verstärkt Anfragen aus der Medizintechnik, der Sensor- und Analysegeräteproduktion, der Luft- und Raumfahrttechnik sowie der Automobilindustrie.“
Frage: „Und welchen neuen Herausforderungen müssen sich die Anlagenhersteller in diesem Segment stellen?“
Gerhard Koblenzer: „Es sind viele neue Challenges erkennbar. So steigen die Anforderungen an die Technische Sauberkeit in der Prozesskette, gerade auch bei den Zulieferern der großen Abnehmer. Des Weiteren erwarten Anwender neben der Lieferung von geeigneter Reinigungstechnik auch Unterstützung bei der Prozessintegration und -optimierung, der Validierung und dem zugehörigen Monitoring sowie häufig auch die Bereitstellung von Lohnreinigungskapazitäten. Hinzu kommt, dass die Komplexität und die Baugröße der Bauteile stetig zunimmt – bei gleichbleibend hohen Ansprüchen an die Technische Sauberkeit. Gerade dieser letzte Punkt beschäftigt uns sehr. XXL-Bauteile mit mehreren Tonnen Gewicht müssen in den kommenden Jahren vollautomatisierte Feinstreinigungsprozesse durchlaufen. Eine einfache Skalierung der bestehenden Verfahren reicht dort hinten und vorne nicht aus. Daher finden in unserem hochmodernen reinraumgebunden Test- und Dienstleistungszentrum bereits die konstruktionsbegleitenden Grundlagenversuche statt. Die Umsetzung in Produktionssysteme erfolgt zeitnah.“
Frage: „Erwarten Sie, dass die Sauberkeitsanforderungen gerade im High Purity-Bereich in Zukunft noch mehr steigen und entwickeln sich die technologischen Möglichkeiten parallel entsprechend weiter, um die gestiegenen Anforderungen auch erfüllen zu können?“
Gerhard Koblenzer: „Sauberkeitsparameter unterliegen immer Anpassungen. Oft in beide Richtungen, aktuell jedoch hauptsächliche in die komplexere. So auch in der Feinst- und Ultra-Feinstreinigung. Darin sehen wir jedoch nicht die eigentliche Herausforderung. Vielmehr verändern sich die Produkte in Geometrie und Größe. Bestehende Lösungsansätze können nicht beliebig nach oben skaliert oder auf jegliche geometrische Ausformung angepasst werden. Daher sind neue und veränderte Konzepte erforderlich. Auch, um unter anderem die Prozess-Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gewährleisten zu können. Daran arbeiten wir seit mehreren Jahren und können inzwischen auch auf erfolgreiche Referenzanwendungen für Sondergrößen in zum Beispiel der Hochvakuumtechnik oder besondere geometrische Herausforderungen bei AM-Komponenten in der Medizintechnik verweisen. Hinzu kommen Projekte aus der Analytik- und Messtechnik sowie aus dem Umfeld der Automobilindustrie. Es bleibt spannend.“

Frage: „Welche Auswirkungen haben all diese Entwicklungen auf kleine und mittelständische Zulieferer in diesem Sektor?“
Gerhard Koblenzer: „Auch die Teile- und Komponentenlieferanten in den verschiedensten High Purity-Branchen müssen sich zum Teil mit völlig veränderten Aufgaben auseinandersetzen und mit der Tatsache, dass gewisse Sauberkeitsvorgaben für sie mit der vorhandenen Reinigungstechnik und den existierenden Produktionsprozessen derzeit nur schwer oder gar überhaupt nicht zu erreichen sind. Denn die Anforderungen definieren sich in der Regel nicht nur durch Partikelgröße und Gravimetrie. Es kommen neue Kategorien hinzu. Stichworte sind hier etwa filmisch, molekular, atomar, toxisch oder feinstpartikulär. Häufig auch in Kombination mit verbotenen Stoffen und das auf molekularer oder atomarer Ebene. Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen oft einem Monitoring im Rahmen der Validierung unterziehen. Und das ist auf diesem Level meist neu. Also ist man als Reinigungsanlagenhersteller in der doppelten Verpflichtung. Neben einer geeigneten reinigungstechnischen Lösung müssen wir auch Service- und Beratungsleistungen im Umgang mit den neuen Aufgaben liefern. Dabei gilt es, nicht übers Ziel hinauszuschießen und den Weg Schritt für Schritt zu gehen. Das kann auch erst Mal bedeuten, dass wir als LPW für eine Übergangszeit die Lohnreinigung und die Weiterlieferung an den Kunden übernehmen.“
Frage: „Auf dem Parts2clean Fachforum halten Sie einen Vortrag mit dem Titel „High-Purity ist mehr als nur Reinigungstechnik“. Können Sie uns schon ein bisschen vorab verraten, was Sie hier ansprechen werden?“
Gerhard Koblenzer: „Im Vortrag geht es darum, das Thema High Purity als Mindset im Prozess sowie die Anforderungen an den Anwender und Anlagenhersteller aufzuzeigen. Denn die ganze Branche spricht von High Purity und meint eigentlich die Hochvakuumtechnik im Halbleitersegment, die in Europa im Wesentlichen durch große Kunden wie Zeiss SMT und/oder ASML geprägt wird. Wie bereits zuvor in diesem Interview besprochen, greift diese Sichtweise jedoch zu kurz. High Purity betrifft in der Praxis nahezu alle High Tech-Segmente und das weltweit. Die jeweilige Sauberkeitsspezifikation in der Wechselwirkung zu den individuellen Bauteileigenschaften bildet die Richtschnur.
Marktbegleiter bezeichnen High Purity gerne als den Mount Everest der Industriellen Reinigungstechnik. Dieser Vergleich impliziert, dass man ein festes und messbares Ziel in Form eines Gipfels vor Augen hat. Das trifft hier jedoch in keiner Form zu. In der Realität ist es ein stetiger Prozess, der sich zumindest in den kommenden Jahren an immer neue Anforderungen anpassen muss. Das LPW-Team hat in den vergangenen 15 Jahren viele vermeintliche Gipfel erreicht, um dann festzustellen, dass dahinter ein neuer und höherer Gipfel entstanden ist.“
Frage: „Wie entwickelt sich die Branche und auch Ihr Unternehmen abseits von High Purity-, Präzisions- und Feinstreinigung? Gibt es auch hier neue Trends zu beobachten?“
Gerhard Koblenzer: „Wir alle spüren natürlich den Rückgang bei der Beschaffung von Investitionsgütern im Umfeld der klassischen Automobilindustrie und dem Maschinenbau. Zudem finden immer noch Verlagerungen der Produktion an andere europäische Standorte statt. Ein Trend, der seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts erkennbar war, im Jahr 2019 spürbar begonnen hat und noch längst nicht abgeschlossen ist. Zudem wirken sich die grundsätzlich rezessive Stimmung und die hohen Finanzierungskosten auf die Investitionsfreude aus. Daher fehlen bei neuen Technologien etwas Planungssicherheit und Zuversicht. Das wirkt sich bei nahezu allen Investitionsgüterherstellern im Auftragseingang aus. Dennoch existieren Trends, die sich verstetigen. So ist die Additive Fertigung ein fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit im Anlagenbau, aber auch gerade in der Lohnreinigung geworden. Apropos Lohnreinigung: der Bedarf nach der Dienstleistung „reinraumbasiertes Reinigen“ wächst stetig.“
Frage: „Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Reduktion von CO2-Emissionen sind in der gesamten Oberflächentechnik wie überall in der Industrie ein großes Thema. Was tut sich hierzu in der Reinigungsbranche, um in Zukunft noch nachhaltiger zu werden?“
Gerhard Koblenzer: „Ein wichtiges Thema. Aus unserer Sicht und anhand unserer internen Vorgehensweise sind beispielsweise folgende Maßnahmen sinnvoll: Die Einbindung der Reinigungstechnik in die bestehende Gebäude- und Maschineninfrastruktur. Zudem können Vorprozesse zur Reduzierung der effektiven Schmutzlast optimiert und somit Taktzeiten im Reinigungsprozess reduziert werden. Das senkt den Energie- und Ressourcenbedarf immens. Geeignete Monitoringsysteme bilden hierbei eine gute Unterstützung“
Oberfläche-Online: „Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koblenzer!“ (OM-09/23)
Zur Person
Gerhard Koblenzer ist Inhaber der LPW Reinigungssysteme GmbH, einem führenden Anbietern hochwertiger Anlagen und Verfahrenstechnologien in der industriellen Bauteilereinigung mit wässrigen Medien.
Kontakt
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Postfach 11 64, 72585 Riederich
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www.lpw-reinigungssysteme.de
Über LPW Reinigungssysteme GmbH
Die LPW Reinigungssysteme GmbH zählen zu den führenden Anbietern hochwertiger Anlagen und Verfahrenstechnologien in der industriellen Bauteilereinigung mit wässrigen Medien. Die Systeme werden unter anderem in den Bereichen Maschinenbau, Automotive, Luft- und Raumfahrt sowie in der allgemeinen Industrie eingesetzt. Mit dem Unternehmensbereich High Purity ist LPW zudem in Branchen mit Fein- und Feinstreinigungsaufgaben wie der Medizintechnik, optischen und Halbleiter-Industrie ein gefragter Partner.